Die Sehitlik-Moschee in Berlin: Ein Ort des Glaubens, der Begegnung und der Architektur

Sehitlik-Moschee. Foto: Helga Karl
Sehitlik-Moschee. Foto: Helga Karl

Die Şehitlik Moschee Berlin ist ein prachtvolles Zeugnis neo-osmanischer Baukunst und Symbol für das religiöse und kulturelle Leben der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland. Dieses architektonische Meisterwerk am historischen muslimischen Friedhof am Columbiadamm in Berlin-Tempelhof ist eine der meist besuchten Moscheen, Zentrum sunnitischen Lebens in Berlin und ein Ort des Dialogs.

Bei Nicht-Muslimen ist die  Şehitlik Moschee als Sehenswürdigkeit weniger bekannt.

Von Helga Karl

Sehitlik-Moschee Berlin, Innenraum. Foto: Helga Karl
Sehitlik-Moschee Berlin, Innenraum. Foto: Helga Karl

Şehitlik Moschee - Berlin Türk Şehitlik Camii


Geschichte des Islam in Berlin – der erste muslimische Begräbnisort in West-Europa

 

Die muslimischen Grabsteine auf dem historischen Friedhof am Columbiadamm in Berlin-Tempelhof berichten von der Geschichte des Islam in Berlin. 1797 kam Ali Aziz Efendi nach Berlin, Botschafter des Osmanischen Reiches. Er stab 1798 in Berlin. König Friedrich Wilhelm III von Preußen stellte für die Beerdigung des Botschafters ein Gelände in Tempelhof zur Verfügung, es war der erste muslimische Friedhof und lange der einzige im westlichen Europa. 1863 wurde der muslimische Friedhof an seinen heutigen Platz verlegt. Neben türkischen Muslimen sind auch Araber, Perser und Afghanen hier beerdigt.

Der Islam ist in Berlin also keine neue Erscheinung. Anfang des 18. Jahrhunderts kamen die ersten Muslime – meist Tataren und Bosnier – in preußischen Diensten in die Stadt. Spätestens mit dem Bau der „Wilmersdorfer Moschee“ (Ahmadiyya-Moschee) im Jahr 1928 wurde Berlin zu einem Zentrum des islamischen Lebens in Europa. Der Zustrom muslimischer Gastarbeiter in den 1960er und 70er Jahren, insbesondere aus der Türkei, verstärkte die Notwendigkeit islamischer Gebetsstätten erheblich. In diesem Kontext entwickelte sich die Idee einer großen, repräsentativen Moschee – mit türkischem Charakter – im Herzen Berlins.

Historischer muslimischer Begräbnisort vor der Sehitlik-Moschee Berlin. Foto: Helga Karl
Historischer muslimischer Begräbnisort vor der Sehitlik-Moschee Berlin. Foto: Helga Karl

Entstehung und Bau der Sehitlik-Moschee - „Şehitlik“ bedeutet „Ort der Märtyrer“

Die Sehitlik-Moschee ist Teil des gewachsenen muslimischen Friedhofs.  Ihr Name „Şehitlik“ bedeutet „Ort der Märtyrer“ – eine Referenz auf gefallene osmanische Soldaten, die im Ersten Weltkrieg auf deutscher Seite kämpften und in Berlin beigesetzt wurden.

Der Wunsch nach einem repräsentativen Moscheebau auf dem Friedhofsgelände wurde in den 1990er Jahren konkret. Unterstützt durch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) begannen die Planungen für eine Moschee, die sowohl religiös als auch kulturell ein Zentrum für Muslime in Berlin darstellen sollte.

Die Sehitlik-Moschee in Berlin Tempelhof wurde von 1999 - 2005 erbaut. Es gab währernd des Baus einen Konflikt mit dem Bezirksamt Tempelhof: Die Minarette und Kuppel waren um 4 m höher als die Baugenehmigung es erlaubte. Statt  Abriss wurde 2003  ein Nachtrag zur Genehmigung mit einem Bußgeld vereinbart.

 

Der Architekt Hilmi Şenalp – Tradition und Moderne

Hilmi Şenalp, geboren 1957, gilt als einer der renommiertesten Architekten für traditionelle islamische Sakralarchitektur. In seinen Entwürfen verbindet er osmanische Bauästhetik mit zeitgemäßer Funktionalität. Bereits bei Moscheebauten in Istanbul, den USA oder dem Balkan zeigte er sein Gespür für Form, Proportion und Symbolik.

 

Auch bei der Sehitlik-Moschee folgte Şenalp einem klaren stilistischen Prinzip: Die Architektur sollte nicht nur funktional sein, sondern auch eine spirituelle Botschaft transportieren – durch Licht, Raum und Ornamentik. Dabei griff er bewusst auf das Erbe klassischer osmanischer Moscheen zurück, wie sie etwa von dem berühmten Baumeister Mimar Sinan im 16. Jahrhundert geprägt wurden.

Die Şehitlik-Moschee ist in Form eines Achtecks gebaut, mit Kuppeltragenden Säulen und Pfeilern. Selten bei Moschee-Bauten ist das Vordach der Sehitlik-Moschee.

Prächtiger Innenraum aus İznik -Keramik, Marmara-Marmor und Kalligraphie

Der Innenraum ist prächtig, hervorragende Handwerkskunst mit Marmor von der Insel Marmara und kunstvolle Keramik aus der türkischen Stadt Iznik.

Die Farbkombination besteht aus  Weiß, Kobaltblau, Orange (Eisenoxid) und Ocker. 

Die Fliesen aus  İznik  sind berühmt seit Jahrhunderten, handgefertigte Kunstwerke, die auch in anderen berühmten Moscheen verwendet wurden.

 

Die Kalligraphie im Übergang von der Hauptkuppel zu den kleineren Kuppeln ist Gold-verziert mit den Namen unter anderem von Allah  und Mohammed.

Die Kalligraphien stammen von Künstlern wie zB Hüseyin Kutlu.

 

Semih İrtes entwarf die Wand- und Deckengestaltung während des Baus in der Moschee, also vor Ort.


Minbar - Kanzel der Sehitlik-Moschee

Der Innenraum ist geprägt von harmonischer Symmetrie, opulenter Ornamentik und farbenprächtigen Glasfenstern. Die Kuppel zeigt florale Motive und Kalligraphien aus dem Koran, ausgeführt in traditioneller Handarbeit. Eine prächtige Mihrab (Gebetsnische) aus Marmor weist die Gebetsrichtung nach Mekka. Direkt daneben befindet sich die kunstvoll gestaltete Kanzel (Minbar), von der die Freitagspredigten gehalten werden.


Der Gebets- und Versammlungsraum

 

Der Gebetsraum bietet Platz für ca. 1.500 Gläubige, davon etwa 1.000 Männer im Hauptraum und 500 Frauen auf den umlaufenden Galerien. Die Teppiche im Inneren wurden eigens für die Moschee in der Türkei angefertigt.

Die Gebetssprache ist meist türkisch, manchmal arabisch.

 

Im Hauptraum finden auch Veranstaltungen statt, die öffentlich sind, also nicht nur für Muslime zugänglich. Bei Veranstaltungen, bei denen ich anwesend war (H.K.), gab es keine Trennung zwischen Männern und Frauen, weder bei den Referenten bzw. Diskussionsteilnehmern noch den Zuhörern.


Frauen beim Gebet in der Sehitlik-Moschee, Galeriegeschoss. Foto: Helga Karl
Frauen beim Gebet in der Sehitlik-Moschee, Galeriegeschoss. Foto: Helga Karl

Stellung der Frauen in der Sehitlik-Moschee

Die Frauen beten auf einer großzügig gestalteten Galerie oberhalb des Hauptgebetsraums. Diese Empore ermöglicht es ihnen, das Geschehen im Gebetssaal zu verfolgen, ohne sich völlig abgetrennt zu fühlen.

Die Trennung soll nicht als Ausdruck von Ungleichwertigkeit verstanden werden, sondern dient – aus traditioneller Sicht – der Konzentration und der Wahrung der persönlichen Schamgrenzen während des Gebets.

 

In der Sehitlik-Moschee sind Frauen ausdrücklich zur Teilnahme am Freitagsgebet (Jumuʿa) eingeladen. Im Islam ist dieses Gebet für Männer verpflichtend, für Frauen freiwillig – jedoch keinesfalls ausgeschlossen.  

Galerie in der Sehitlik Moschee. Foto: Helga Karl
Galerie in der Sehitlik Moschee. Foto: Helga Karl
Frauen in der Sehitlik-Moschee. Foto: Helga Karl
Frauen in der Sehitlik-Moschee. Foto: Helga Karl

Viele Frauen nutzen dieses Angebot regelmäßig und tragen so aktiv zum Gemeindeleben bei.

Darüber hinaus engagieren sich Frauen in der Sehitlik-Moschee auch außerhalb des Gebets. Sie nehmen an Bildungsprogrammen, Korankursen und Gesprächskreisen teil und organisieren kulturelle und interreligiöse Veranstaltungen. Die Frauenabteilung der Gemeinde bietet spezielle Angebote für Frauen an – sowohl religiöse als auch soziale Themen.

 

Bei meinem Aufenthalt in der Sehitlik-Moschee als Gast nahmen sich junge gebildete Frauen mit großer Herzlichkeit meiner an. Für mich war schmerzhaft zu spüren, dass sie die Trennungen von Frauen und Männern als religiöses Gefühl leben. Helga Karl


© Helga Karl             KNB   KNBerlin       https://www.knberlin.de/%C5%9Fehitlik-moschee/

Mit Dank für die Erlaubnis zum Fotografieren für redaktionelle Verwendung. Helga Karl


© Helga Karl. Alle Rechte vorbehalten